JOIDES Resolution, Position 1°12'N, 105°35'W, auf Fahrt gen Osten den Äquator entlang

15.2.2002, 2:50 Uhr



3. Bericht

Ihr Lieben,

ich will mal kurz berichten, was ich gerade so gemacht habe. Ich war nämlich im Radioisotopen-Container. Das ist ein Riesenkühlschrank, zu dem man nur mit Sicherheitschuhen, Schutzbrille und Helm gehen darf, da er sich hinter dem Bohrturm der JOIDES Resolution befindet. Drinnen zieht man sich als erstes Plastik-Überzieher über die Schuhe, dann einen Laborkittel an und tauscht Schutzbrille gegen die normale und Helm gegen eine Wollmütze. So ausgerüstet trete ich unter einen riesigen Lüfter, der eiskalte Luft einbläst, an einen Tisch, auf dem ich einen großen durchsichtigen Plastiksack mit verschiedenen Dingen fülle. Anschließend wird der Sack mehrfach mit Stickstoff begast (Luftsauerstoff gibt es im Sediment nämlich nicht). Der Sack hat eingeschweißte Handschuhe. Die sind aber so groß, dass ich mir innen Latex-Handschuhe darüber ziehe, die enger anliegen. Als unterste und dritte Schicht trage ich zuguterletzt dünne Stoffhandschuhe, weil man sonst mit verschwitzten Finger kaum arbeiten kann. Nachts um zwei am Äquator mit Mütze und drei Paar Handschuhen im schaukelnden Kühlschrank - trotzdem macht es Spaß! Nun verteile ich im Sack Nährlösung in die 96 Vertiefungen einer sogenannten Mikrotiterplatte. Dann werden Sedimentproben aus 1 bis 320 m Tiefe unter dem Meeresboden zugesetzt, und die Platten versiegelt und eingschweißt. Sie bleiben nun für zwei Monate bei 15°C, bis wir nachsehen werden, ob bakterielle Aktivität nachweisbar ist. Der Nährlösung waren nämlich Spuren radioaktiven Schwefels (in Form von Sulfat) zugesetzt. Falls die Bakterien den umsetzten, lässt es sich zehntausendfach empfindlicher nachweisen als mit anderen Methoden, obwohl die Strahlung viel geringer ist als etwa bei einer Röntgenaufnahme. Wir können so nach zwei Monaten nachweisen, worauf wir sonst 1500 Jahre hätten warten müssen. Die hohe Empfindlichkeit ist aber erforderlich, da die untersuchten Sedimentproben bis zu zwölf Millionen Jahre alt und deswegen extrem wenig aktiv sind.

Seit gestern sind wir wieder auf Fahrt zu unserer zweiten Station, die wir voraussichtlich am Montag erreichen werden. Zwischendurch hieß es, dass wir an den Galapagos-Inseln, die fast auf unserem Weg liegen, Halt machen müssen. Es fehlte nämlich noch die offizielle Genehmigung Ecuadors für unsere Arbeiten. Die kam dann aber doch inzwischen per Satelliten-Fax, so dass ein kleines Extra entfällt. Ohnehin hätten wir dort das Schiff nicht verlassen dürfen, so dass es nicht so schlimm ist.

Die Proben vom ersten Standort sind nun gesammelt. Wir haben bei der Aufarbeitung einiges verbessert. Nun muss auf der Überfahrt gleich der Bericht dazu geschrieben werden und geplant werden, was wir als nächstes tun. Das spannendste auf der ersten Station war wohl der Basaltstein, den wir von der untersten Schicht bekommen haben, wo das Sediment an das Urgestein grenzt. (Hier musste die Bohrung abgebrochen werden, weil das Gestänge sich verbog). Der Stein wies Verwitterungsspuren auf, die auf bakterielle Aktivitäten deuten. Wir haben ihn gereinigt und in Säure gebadet um anhaftende Bakterien zu entfernen, dann zerschlagen und Proben davon zu verschiedenen Untersuchungen und in Nährmedien gegeben. Ein wenig war das alles wie bei Hans im Glück, der mit einem Stein absolut glücklich zu machen war und sein Gold dafür hergab. Man muss sich aber klar machen, dass es weltweit nur 1225 solcher Bohrlöcher, wie wir eines gemacht haben, gibt, und dass es nur selten gelingt, einen solchen Stein nach oben zu bringen. Deshalb ist er von höchstem wissenschaftlichen Interesse.

Den Äquator haben wir nun noch nicht passiert, da wir fast parallel zum Äquator fahren - was da zur Äquatortaufe wohl noch auf uns zukommen mag?

So viel für heute - viele liebe Grüße

Heribert