JOIDES Resolution, Position 3°5.7' S, 90°49.1' W, noch auf der 2. Station
25.2.2002, 9:25 Uhr 6. Bericht Ihr Lieben, auch heute ein kurzer Bericht. Wir haben die zweite Station fast abgeschlossen. Es regnet warm und heftig. Schon gestern habe ich das genossen, als ich aus dem Fitnessraum kam - statt Sonne mal eine Naturdusche. Daneben gab es natürlich noch die kleine Schadenfreude: Wenn wir auf Station liegen, wird nämlich sonntags draußen auf dem Deck gegrillt, und zwar um fünf Uhr nachmittags, wenn unsere Schicht schlafen muss [zugegeben, mittags wäre es wirklich zu heiß dafür]. Gestern fiel das nun aus. Man wird in dieser Situation nach einiger Zeit für Kleinigkeiten empfindsam wie unfreiwillig Eingesperrte. ) Ich möchte aber noch eine Antwort geben, auf den Unterton einiger e-mails, die mich hier erreicht haben - in dem Sinne: richtig Arbeit wäre das ja hier wohl nicht. Also noch einmal: Jeder hat seine Zwölf-Stunden-Schicht siebenmal die Woche. Da man sich mit der anderen Schicht abstimmen muss, sollte man tunlichst vorher essen und erscheinen bzw. am Ende der Schicht nachher. Während der Schicht steht man für die Probenahme zur Verfügung, die Kabine sollte man nicht betreten, da die andere Schicht schläft. Wir hatten jetzt bis zu 28 verschiedene Behandlungen von Proben für uns und alle Welt zu erledigen, diesmal nicht nur jeden zweiten Kernabschnitt, sondern alle (etwa jede Stunde einen) zu beproben. Wir nehmen eine oder zwei Abschnitte von 1.5 m auf dem sogenannten Catwalk in Empfang (30 °C) und fahren nach unten in den Kühlraum (4°C). Dort sind wir dann zu viert oder fünft eine knappe Stunde mit Schneiden, Evakuieren, Begasen, Beschriften, Einfrieren etc. beschäftigt. Meine Proben werden nach Brechen des Kerns gewonnen. Wir stechen dann kleine Kerne mit einer 60 ml-Spritze aus frisch gebrochenen Oberflächen und übertragen sie sofort in Stickstoff-begastes steriles Salzwasser. Während einer solchen Schicht kann man an den eigenen Proben nicht arbeiten, dazu hat man ja während der anderen Schicht bis zu zwölf Stunden Zeit. Natürlich kommt es zu Verzögerungen, und man muss warten, aber abrufbereit sein. Da habe ich immer an meinem Lehrbuch gearbeitet. Elf Kapitel sind für die zweite Auflage überarbeitet. Mindestens zwölf neue Abbildungen sind drin, fast alle alten verbessert... Wenn hingegen keine Station ist, hat man die eigenen Sachen anzusetzen. Inzwischen habe ich weit über tausend Kulturen angesetzt (in den meisten wird wohl nichts wachsen), vieles eingefroren, und alles für mich selbst und für den Bericht protokolliert. Dazu brauche ich pro Station etwa zwölf Stunden, nicht gerechnet, was an Vor- und Nachbereitungen (spülen etc.) dazu kommt. Man kommt hier also leicht auf eine 100-Stunden-Woche. Dafür profitieren Wissenschaftler weltweit von unseren Arbeiten, aber auch wir selbst, da wir begleitende Daten zu unseren Proben bekommen wie sonst nie. Einige Bilder habe ich heute an den Staff Scientist geschickt - mal sehen, was davon auf die ODP-Homepage kommt. Die fliegenden Fische sind halt sehr klein, und von den sieben Walen (5 bis 8 m-Exemplare), die gestern nachmittag vorbei kamen habe ich wieder nur eine Flosse, da ich die Kamera erst holen musste... So viel für heute - viele Grüße Heribert |